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Ganzheitlich gelebte Spiritualität

Glauben lebendig gestalten

Biblische Texte und Motive bewegen

Frei – endlich frei!

Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit –

ein ganzheitlicher und spiritueller Weg der Begegnung mit Gott, mit sich selbst und mit der Bibel

von Sebastian Kühnen

(veröffentlicht in: Zeitschrift für Tanztherapie 33/2012, 19. Jahrgang, S. 9-11)

 

Ungewohnt: die Kirche leer geräumt und es wird getanzt

Die Kirche ist leer geräumt. Keine Stühle oder Bänke mehr. Ein weiter Raum tut sich auf, nur der Altar, eine aufgeschlagene Bibel darauf, das Ambo, das Taufbecken und die angezündete Osterkerze sind stehen geblieben. Weitere große, brennende Kerzen tauchen die Kirche in ein wohliges, Geborgenheit vermittelndes Licht. Am Rand liegen Stofftiere, Orff-Instrumente, Malsachen, Tücher, verschiedene Materialien und, ebenfalls während der Bewegung zur Seite geräumt, Sitzkissen.

Durch den Raum schallt Musik „We Shall All Be Free“ von den Weather-Girls und zwei Handvoll Menschen tanzen andächtig und expressiv zugleich. Im Tanz sind sie versunken, ganz bei sich und ganz bei Gott. Ihr Leben und die biblische Überlieferung gewinnen in der Bewegung tänzerische Gestalt und lebendigen Ausdruck.

Ein Kursabend mit Kreativem Tanz und bewegter Bibelarbeit beginnt immer in der Bewegung. Eine „Körperreise“ lenkt während der Bewegung zu Musik die Aufmerksamkeit des oder der Tanzenden sukzessiv auf alle Körperteile des Körpers, beginnend von den Füßen bis hin zum Kopf, um den ganzen Körper zu spüren und aufzurichten und die Körperteile anschließend miteinander in Verbindung in einen gemeinsamen Bewegungsfluss zu bringen. Mit der Körperreise eignet sich die tanzende Person ganz bewusst ihren ganzen Körper an, löst Bewegungsblockaden langsam auf und lässt nach und nach die Belastungen des Alltags von sich abfallen.

In einer zweiten Bewegungsrunde wird in der Folge ein Bewegungsthema in die Gruppe eingebracht, dem sich die tanzenden Personen auf möglichst spielerische Weise annähern und Erfahrungen in der Bewegung sammeln.

Das genannte Bewegungsthema wurde gezielt ausgewählt, um das körpersprachliche Repertoire mit Blick auf den im weiteren Verlauf des Abends zu bearbeitenden Bibeltext zu weiten und zu festigen. Der gewählte Bibeltext bleibt zu diesem Zeitpunkt für die Teilnehmenden aber noch unbekannt, damit Bewegungsausdruck und –erfahrung nicht von vornherein schon in eine bestimmte Richtung gelenkt werden.

Die möglichst sparsam eingebrachte Bewegungsanleitung gibt den Tanzenden in der Bewegungsimprovisation Halt und Orientierung, lässt ihnen aber zugleich möglichst großen Raum zum freien Gestalten und Experimentieren. Die Musikauswahl unterstützt dabei durchaus konträre Bewegungsimpulse.

Auf die Bewegung folgt eine Gesprächsrunde, die einen Austausch über die gemachten Bewegungserfahrungen ermöglicht und auf die Bewusstheit des körperlichen Ausdruckes zielt.

Erst nach Abschluss dieser Gesprächsrunde wird das biblische Motiv oder die biblische Geschichte narrativ eingebracht und mit einem elementaren Gestaltungsmotiv fokussiert. Motive wie beispielsweise: „Frei, endlich frei!“ oder „Aufstehen zu neuem Leben“ oder „Von allen Seiten umgibst du mich“ werden von den Teilnehmenden anschließend in Tanz und Bewegung aufgegriffen, dargestellt, umgesetzt und erfahren, wobei das biblische Motiv oder die biblische Geschichte sich unweigerlich in der Bewegung und durch die Bewegung mit dem je eigenen Lebensprozess und der je eigenen Lebensthematik des / der Tanzenden verbindet und verknüpft.

Eine zweite anschließende Gesprächsrunde spricht unter dem Motto „Die Geschichte – das Motiv – die Bewegung“ all die Erfahrungen an, die die Tanzenden mit der biblischen Geschichte, mit dem aus ihr gewonnenen Gestaltungsmotiv und mit der Bewegung gemacht haben. Auf diese Weise hebt die Gesprächsrunde die in der tänzerischen Umsetzung gemachten (Bewegungs-)Erfahrungen ins Bewusstsein und eignet die biblische Botschaft für das eigene Leben an.

In der Gesprächsführung wird dabei darauf geachtet, dass die Grenze zu vertiefender therapeutischer Arbeit nicht überschritten wird. Die Methode „Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit“ ist und ersetzt keine Therapie, wenn gleich eine große therapeutische Kraft ihr innewohnt und sie oftmals den Weg zu einer Therapie bereitet.

Ein freier Abschlusstanz ohne jegliche thematische Vorgabe rundet schließlich einen Kursabend mit Kreativem Tanz und bewegter Bibelarbeit ab.

Von der individuellen Improvisation zur choreographierten Gestaltung

Bei einem Seminarwochenende, das einen größeren zeitlichen Rahmen als ein eineinhalbstündiger Abend bietet, kann nach Erarbeitung verschiedener Bewegungsthemen und einer individuellen Improvisation zum biblischen Text noch ein großer Schritt weiter gegangen werden.

In Gruppenarbeit können die Teilnehmenden zum biblischen Motiv eine gemeinsame Choreographie entwickeln und erarbeiten. Dabei wird das biblische Motiv von der Gruppe gründlich besprochen, auf die Relevanz im eigenen Leben überprüft, elementarisiert und schließlich in Bewegung übersetzt. In diesem Prozess eignen sich die Teilnehmenden das biblische Motiv mit Leib und Seele an und bringen es schließlich im geschützten Rahmen der Seminargruppe zu einer ersten Aufführung.

Danach kann mit dem Erarbeiteten auch ein Schritt nach außen getan und die Performance in einem gemeindlichen Tanzgottesdienst aufgeführt werden. Dadurch ereignet sich im Gottesdienst eine ganz neue, eindrückliche Form der Verkündigung: eine Verkündigung der frohen Botschaft ohne Worte im und durch den Tanz.

Ein Tanzgottesdienst mit Kreativem Tanz und bewegter Bibelarbeit bietet für die Gottesdienstteilnehmenden immer auch eine zweifache Möglichkeit, denn über das Zuschauen bei der aufgeführten Tanz-Performance hinaus soll es zugleich auch die Möglichkeit geben, selbst zu tanzen und in Bewegung zu kommen. Es soll die Möglichkeit bestehen, am eigenen Leibe und in der Bewegung eigene Erfahrungen zu sammeln: Gottes heilsames und befreiendes Wort selbst leibhaftig und bewegt erfahren.

Unterschiedliche Ansätze beim meditativem und kreativen Tanz

Wenn von Tanz in der Kirche die Rede ist, wird zumeist spontan der meditative Tanz assoziiert. Es wird gedacht an Kreistänze in einer Gruppe mit einfachen, fest vorgegebenen und sich stets wiederholenden Schrittfolgen. Eine Gruppe, die Halt findet in einer klaren Struktur. Eine Gruppe, die sich die Hände gibt und um eine Mitte schart, die in der Bewegung und im Tanz zu einer Einheit verschmilzt, die eins wird vor und um Christus.

Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit hat und verfolgt hingegen einen anderen Ansatz. Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit wird auch in der Gruppe gestaltet, zielt aber nicht auf symbiotisches Erleben ab, wenn gleich es sich auch hier ereignen kann. Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit setzt zuerst beim Individuum an und fördert die Individuation, die Selbstwerdung, den Selbstausdruck vor und zu Gott.

Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit hat und entwickelt natürlich auch eine Struktur. Diese Methode arbeitet aber grundsätzlich zu aller erst mit freier Bewegung. Bewegungsimprovisation und freier Bewegungsausdruck stehen am Anfang. Erst in einem zweiten Schritt wird die freie Improvisation in eine gestaltete Choreographie überführt, die trotz aller Festlegungen immer noch viel Bewegungs- und Ausdrucksspielraum lässt.

Die Verknüpfung des Tanzes mit biblischen Motiven und Geschichten

Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit baut grundlegend auf der Bewegungstheorie von Rudolf von Laban auf und bringt mithilfe der Methodik von Kreativem / Heilpädagogischem Tanz sowie tanztherapeutischer Bewegungs- und Selbsterfahrung den eigenen Lebensweg mit biblischen Geschichten oder Motiven in Verbindung und verknüpft sie miteinander.

Der eigene Lebensweg und die biblischen Geschichten erschließen und deuten sich in der Bewegungserfahrung wechselseitig. Auf dem Hintergrund der eigenen Lebensgeschichte erschließt und vertieft sich das Verständnis biblischer Geschichten und Motive. Und auf dem Hintergrund biblischer Überlieferung und Geschichte erscheint das eigene Leben oftmals in einem neuen Licht. Oftmals eröffnen sich ganz neue ungeahnte Möglichkeiten und Wege.

Eine Teilnehmerin schrieb mir einmal mit Blick auf die gemachten Erfahrungen:

„Der Kreative Tanz ist für mich zu einer "Quelle der Weisheit" geworden, ich habe im Tanzen immer wieder für mein Leben Erkenntnis, Antwort, Wegweisung gefunden. Und Deine ganz besondere Methode Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit hatte für mich ganz eigene Glaubenserfahrungen...“

In diesem Sinn ist Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit ein ganzheitlicher und spiritueller Weg der Begegnung mit Gott, mit sich selbst und mit der Bibel.

Weiterbildung Kreativer Tanz und bewegte Bibelarbeit

Der erste Kurs und das erste Seminarwochenende mit Kreativem Tanz und bewegter Bibelarbeit wurden im Frühjahr 2002 angeboten. Seitdem hat sich eine ganze Menge daraus entwickelt. Anfragen, ob es eine Fort- oder Weiterbildung für Kreativen Tanz und bewegte Bibelarbeit gibt, haben mich von der Notwendigkeit überzeugt, diesen Schritt zu gehen. Die Vorbereitungen haben bereits begonnen. Im Frühjahr 2012 startet eine zweijährige berufs- oder studienbegleitende Weiterbildung. Interessierte können sich gerne an mich wenden.

 
Sebastian Kühnen ist evangelischer Pfarrer und arbeitet derzeit mit einem halben Dienstauftrag als Gemeindepfarrer in der Evangelisch-Lutherischen Erlöserkirche München – Schwabing. Mit der anderen Hälfte ist er Pfarrer in der evangelischen Kircheneintrittsstelle in München. Nebenamtlich ist er Beauftragter für HIV/Aids-Seelsorge. Er ist seit 1999 Leiter in Kreativem / Heilpädagogischem Tanz (ITTH) und Tanztherapeut (BTD).

Kontakt: Sebastian Kühnen, Tel. (089) 380 12 6 13, sebastian.kuehnen@elkb.de, www.kreativertanzundbewegtebibelarbeit.de

 
KREATIVER TANZ UND BEWEGTE BIBELARBEIT

www.kreativertanzundbewegtebibelarbeit.de

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